KAUM GEDACHT!
(Alle Rechte vorbehalten.Nachdruck verboten.) 4. Zwischen Krieg und Krieg — und folgen sie einander auch noch so schnell — windet das Schicksal doch gar manchen Faden. ”85000 Russen gefangen genommen. Schule frei.” Diese und ahnliche Nachrichten gehoren zu den Erinneiungen aus dem letzten Kriege. Ja, man brauchte nur morgens in die Zeitung zu guk= ken, und schon wusste man bescheid, ob es sich lohnte, in tie Schule zu gehen, oder nicht. -
Damals waren namlich die Russen in Ostpre us sen eingedrungen, und gross war die Freude in ganz Deutschland, als Hindenburg sie mit seinen Tapferen in Schlacht nach Schlacht besiegte. - Und wir, junge Bengels, glaubten,wir seien Helden, wenn wir mit den Soldaten marschieren und ihr Gewehr tragen durften.”Zbmmst du mit, Kleiner?*’ warden sie fragen, und wer
von den Jungens wurde da schon"nein” sagen? - So ging es denn, Seite an Seite, hinaus — bis in den Transports,agen hinein, und erst als
der Zug kbfkhk abfuhr, fassten sie uns gegen alles Strauben am Kragen und setzten uns ah. Sie wussten, dass wir den Strapazen, die sie
mitzumachen hatten, nicht gewachsen waren dass wir aber fiir einen anderen Krieg bestimmt waren, davon hatten wir alle keine Ahnung. - Tn unsere Hahe waren viele Fliichtlingo gekornmen, denn Lebensmittel waren noch reich® lich vorhanden; und Pferda sowie andere überfliissige Sachen wurden oft zu Spottpreisen
feilgehalten. Da ich ein grosser Tierfreund
war, wurde ich eines Tages der Figentumer ei«= nes kleinen Ponys. Ganz stolz zog ich nach Hause-, 'to mich meine Mutter enipfing mit den Wor-
ten: "Hun hau* bloss ab mit deinem Viehzeug." Und so musste ich denn das Tier wieder loswerden. Ich hdtte weinen kdnnen. - Im Oktober 1917 waren schon überall russische und fianzosische Gefangene zu sehen. Das
Bild hatte sich geandert. Die Lebensmittel wa= ren knapp, und oft tauschten wir Hsswnren fur
kleine russische Zigaretten bei den Gefangenen ein.
Tch war gerade aus der Schule gekornmen und arbeitete in einer Fabrik, neben einem Gefangenen. ’’KLepper, Klepper’” wollte er andauemd haben, und oft teilte ich mein Brot mit ihra. - Zigaretten schienen die russischen
f Gefangenen erhalten,aber Lebensmittel - - - keine. Aach in Deutschland wurden die Lebensmittel immer knap per, und die Brot-, Butter- und Fleischmarken von heutzutage sind uns durchnus nicht neu. Von den Grosstadten wanderten Leute meilenweit, bis sie etwas fiir ihr Geld und ih« re Barken erhielten ja aanchmal auch mit leerem Sack nach Hause gehen muss ten, und so nagte allmahlich die Not an der Moral des Vol= kes, bis schliesslich Inde 1918 die Revolution ausbrach. Die Marine kampfte gegen die Sturmtruppen auf der Strasse. ’’Strasse frei” hiess es, und schor knatterten die Maschinengewelire über un« sere Kopfe hinweg. Mr jungen Bengels hat ten keine Ahnung von der Gefahr, der wir uns aus= satzten, indem win uns gerade da herandrang® ten, wo das Feuer am he f tigs ten war - - bis sich die Matrosen schliesslich in die Burg zu® rdckziahen mussten, die sie jedoch tapfer bis zum letzten Mann verteidigten. -
Dann kam worunter auch meine Heimatstadt litt. Die Fe» stungen wurden abgebrochen, die Stadtmauern und 'Pore mussten verschwinden - - bis unser Vaterland hilflos dalag wie ein entbldsstes Kind. -
In dieser Zeit aibeitete ich ala Geselle, denn mein Vater wollte mich bei der Eisenbahn angestellt sehen. Inzwischen kam aber in mir mehr und mehr der Drang nach der Feme, bis ich eines schonen Tages ain Gesuch bei der Marine einreichte. 77ie schwer es war,hier nach dem Kriege ein© Stellung zu bekommen, sollte ich nun erfahren. Ich wartete kochen und V/ochen - - - urnsonst, bis mir ein Freund meines Vaters zu Hilfe kam und mir einen Posten auf einem klei® nen Schiff verriet. So trat ich denn, kaum 19 Jahre alt, in der “Hohe Luft” als heizer meine erste Reise an.
( Fortsetzung folgt. )
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Bibliographic details
Ngā taipitopito pukapuka
Deutsche Stacheldraht-Post, Issue 95, 16 January 1944, Page 7
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Tapeke kupu
613KAUM GEDACHT! Deutsche Stacheldraht-Post, Issue 95, 16 January 1944, Page 7
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